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1. Die Geschichte der Opioide
Bereits 5000 v. Chr. ist die medizinische Verwendung des Schlafmohns dem Volk der Sumerern und der damals führenden Ägypter bekannt. Im 1. Jahrhundert n. Chr. beschreiben die Schriftsteller und Gelehrten Dioskurides und Plinius d. Jüngere wie man Extrakte aus der Mohnpflanze gewinnt, deren Wirkung und v.a. auch die therapeutische Anwendung. Der Gelehrte und Arzt Paracelsus entwickelte im 15. Jahrhundert das Laudanum opiatum, einen alkoholischen Opiumextrakt. Einige Zeit darauf, im 16. und 17. Jahrhundert wurde dann Opium als Universalheilmittel eingesetzt. Als Erster beschreibte 1806 der Paderborner Apotheker Sertürner das wirksame Prinzip aus dem Opium, das er Morphium nach Morpheus, dem Gott der Träume, benannte.
1833 wird der Begriff Morphiumsucht von Levinstein geprägt. 1898 wird Diacetylmorphin unter dem Namen ,,Heroin‘‘ als Schmerz-und Hustenmittel eingeführt und käuflich erwerbbar. 1924 erfolgte die Aufklärung der Struktur des Morphins. In den Jahren von 1937 bis 1943 wurden die vollsynthetischen Opioide der Pethidin- und Methadon-Klassen entwickelt – diese spielen bis heute noch eine sehr wichtige Rolle in der Pharmaindustrie. In den 1950er- und 1960er-Jahren wurden die vollsynthetischen Opioidantagonisten, d.h. Gegenspieler, also Wirkstoffe, die die Wirkung der Opioide aufheben bzw. denen entgegenwirken, und sog. Opioidpartialagonisten. 1973 gelingt der Nachweis spezifischer Opioidrezeptoren, umgangsspachlich auch Schmerzrezeptoren genannt. Dies sind genau die Rezeptoren, an denen auch sog. Endorphine (ein Kombinationswort auch endo = eigen, innen und Morphin) andocken. 1975 wurden die ersten endogenen Opioidpeptide isoliert. 1976 erfolgte zum
ersten Mal die Identifizierung unterschiedlicher Opioidrezeptortypen. In den Jahren von 1977 bis 1980 wurden die Struktur und die Proteolyse der Opioidpeptid-Vorläufermolkeküle aufgeklärt. 1922 begann die Klonierung und Strukturaufklärung der Opioidrezeptoren. 1996 wurden die ersten Mäuse mit einem genetisch veränderten bzw. mit einem fehlenden µ-Opioidrezeptor generiert, d.h. diesen Mäusen fehlte der Schmerzrezeptor.
Morphin (=Morphium) war das erste aus dem Opium isolierte Opioid. Aufgrund der aufwändigen chemischen Synthese, wird es immer noch aus Opium gewonnen.
Abbildung: Eigene Darstellung, basierend auf Literaturangaben siehe Quellen unten.
2. Definition von Opioidanalgetika
Opium: (gr. Saft) ist der getrocknete Saft aus den unreifen Kapseln des Schlafmohns (Papaver somniferum). Dieser Saft enthält 10-12% Morphin, 0,3-1% Codein und 0,2-0,5% Thebain, Alkaloide mit Phenanthren-Struktur, die mit den sog. Opioidrezeptoren (= Schmerzrezeptoren) interagieren. Daneben enthält Opium noch eine Vielzahl weiterer Alkaloide, wie z.B. Papaverin, Noscapin etc.
2 sehr häufig verschriebene Opioide sind Tramadol und Tilidin. Diese sind zwei schwach-wirksame Opioide. In diesem Beitrag erklärt Dr. T. Weigl die Wirkungen und Nebenwirkungen von Tilidin und Tramadol. Schauen Sie sich gerne das Video an.
3. Was sind nun Opiate?
Im engeren Sinne sind Opiate Arzneistoffe, die aus dem Opium gewonnen werden. Dazu gehören die natürlichen Produkte wie Codein, und Morphin sowie sog. halbsynthetische Pharmaka, welche aus den natürlichen Produkten hergestellt werden. Wird der Begriff weitergefasst, so sind Opiate alle morphinähnlichen Verbindungen ohne peptidische Struktur. Der Begriff Opiate wird immer mehr ersetzt durch den Begriff Opioide, der alle Substanzen, endogene, exogene, peptidische und nicht-peptidische, umfasst. Entscheidend dabei ist immer, dass diese Stoffe morphinähnlichen Effekte über die Interaktion mit Opioidrezeptoren (lat. recipere - aufnehmen, empfangen) haben müssen.
Die Enkephaline (Enkepahline: haben eine opioide Wirkung und beeinflussen das Schmerzempfinden (Nozizeption)) und Dynorphine (Dynorphine: haben eine opiatähnliche Wirkung (Opioide) und gehören zu den Neurotransmittern) werden von den Nervenzellen bzw. auch Neurone genannt in vielen Regionen des zentralen und peripheren Nervensystems produziert; ß-Endorphin wird vor allem von Zellen der Hypophyse (Hirnanhangdrüse) und des Hypothalamus (wichtiger Teil des Zwischenhirns, dient als oberstes Regulationszentrum für alle vegetativen und endokrinen Vorgängen) produziert. Die aus Nervenzellen freigesetzten endogenen Opioidpeptide wirken prä- und postsynaptisch (Präsynaptischer Teil: Der Teil, der die Erregung auslöst; postsynaptischer Teil: Der Teil, der die Erregung empfängt) als sog. Neurotransmitter (Neurotransmitter sind wichtige Stoffe im Körper, die v.a. zur Kommunikation von einer (Gehirn)Zelle zur anderen dienen). Andererseits werden sie als Hormone von der Hypophyse bzw. vom Nebennierenmark in die Blutbahn freigesetzt.
Ein überraschender Befund war, dass Morphin nicht nur von der Mohnpflanze, sondern auch von menschlichen Zellen de novo synthetisiert werden kann. Die physiologische Rolle dieser endogenen Morphinproduktion ist jedoch noch unbekannt.
Im folgenden Beitrag vom YouTube Kanal Video-Visite beschreibt Dr. Tobias Weigl das Opiat Fentanyl. Fentanyl ist ein stark wirksames Opiat und kann auch als Droge missbraucht werden.
4. Anwendungsfelder von Opiaten - Wann nimmt man in der Medizin Opioide?
Opioide werden typischerweise in den folgenden Bereichen verwendet:
- Anästhesiologie, also als Medikamente im Rahmen einer Narkose
- Intensiv- und Notfallmedizin, im Rahmen einer schnellen Schmerzreduktion
- Schmerztherapie, insbesondere bei chronischen (Gelenk-)Schmerzen, z.B. das Fentanyl-Pflaster
- bei sog. Tumorschmerzen bzw. Tumordurchbruchschmerzen
- in der Palliativmedizin
Opioide sind somit sehr wichtige und weit verbreitete Medikamente. Sie gehören zum Standardrepertoire eines jeden Anästhesisten, Schmerztherapeuten und Palliativmediziners.
5. Opioidrezeptoren – Was sind unsere Schmerzrezeptoren?
Im folgenden Tutorial erklärt Ihnen Dr. T. Weigl welche stark-wirksamen Opioide es gibt und wie diese wirken - und entsprechend auch welche Nebenwirkungen Medikamente wie Oxycodon, Morphin, Buprenorphin, Hydromorphon etc. haben. Alles in diesem kurzen Tutorial.
Opioide interagieren mit drei Typen von Opioidrezeptoren:
- µ (wurde mit dem griechischen Zeichen des Anfangsbuchstaben seines typischen Liganden Morphin benannt)
- δ-Opioidrezeptor
- κ (der κ -Opioidrezeptor wurde nach Ketocylazocin einem synthetischen Morphinderivatmit benannt).
Entscheidendes Kriterium für eine opioidrezeptorvermittelte Wirkung ist die Antagonisierbarkeit durch den Opioidantagonisten Naloxon, d.h. ein Rezeptor gilt dann als Schmerzrezeptor wenn der „Gegenstoff“ Naloxon diesen blockieren kann Der ursprünglich postulierte Ơ-Opioidrezeptor wird nicht mehr als Opioidrezeptor aufgeführt, da die durch ihn vermittelten Wirkungen durch Naloxon nicht blockierbar sind. Die Gene der μ-, δ- und κ-Opioidrezeptoren haben eine relativ hohe Homologie, d.h. Ähnlichkeit, von mehr als 60%. Ein weiterer Rezeptor, der sog. ORL-1 hat ebenfalls eine hohe Homologie zu den Opioidrezeptoren, jedoch bindet dieser keine Opioide und wird daher ORL = ,,opioid receptor like'' genannt. Für den ORL-1 wurde ein endogener Ligand identifiziert, der nach Applikationen an Tieren zu einer Verstärkung von Schmerzreaktionen führte und daher Nozizeptin genannt wurde. In Zukunft sind weitere Forschungen und Erkenntnisse auf diesem Gebiet zu erwarten.
6. Wirkungsprofil der Schmerzrezeptoren = Wirkung von Opiaten
Auf zellulärer Ebene vermitteln alle drei Schmerzrezeptoren ähnliche Effekte. Diese sind in den folgenden Tabellen einmal zusammengefasst.
- Hemmung der Adenylylcyclase
- Aktivierung hyperpolarisierende Kaliumkanäle
- Hemmung spannungsabhängige Calciumkanäle
Abbildung: Eigene Darstellung, basierend auf Literaturangaben siehe Quellen unten.
In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, dass lang-wirkende Opioide die Sterblichkeit erhöhen. Laut dem Deutschen Ärzteblatt Nr. 47/2017 geht mit dem Ansteig der Opioid-Verordnungen auch eine Zunahme an Todesfällen durch Überdosierung einher.
Letztlich ist es daher die Empfehlung, dass für chronische Schmerzen, die nicht krebsbedingt sind, nicht-opioidhaltige Analgetika bevorzugt werden sollten.
μ-Opioidrezeptor-vermittelte zentrale Wirkungen
Analgesie durch Opiate
Agonisten am μ-Opioidrezeptoren wirken im Zentralnervensystem analgetisch, also Schmerz hemmend, auf der sog. spinalen und supraspinalen Ebene. Im Rückenmark hemmen sie die Freisetzung primärer-afferenter Transmitter (z.B. Glutamat, Substanz P). Zusätzlich unterdrücken diese deren Wirkung auf nachgeschaltete Neurone und vermindern so die Erregungsübertragung auf die spinothalamischen Projektionsneurone (also bestimmten Nervenzellen). Durch die Stimulierung von supraspinalen μ-Opioidrezeptoren im Bereich des Mittelhirns werden absteigende Nervenbahnen aktiviert, die ebenfalls die Übertragung der Erregung von den Primärafferenzen auf den sog. Tractus spinothalamicus inhibieren – dieser Tractus ist eine bestimmte Nervenbahn die entscheidend für die Schmerzweiterleitung vom Rückenmark zum Gehirn ist. Weitere μ-Opioidrezeptoren im Gehirn (Thalamus, sensomotorischer Kortex, limbisches System) beeinflussen die Stärke und die emotionale Bewertung des Schmerzes (sehr interessant: sind diese Areale nämlich im Gehirn geschädigt, so kann unter Umständen der Schmerz nicht emotional bewertet werden also kann man diesen weder als schlecht, schrecklich oder ähnlichem empfinden).
Opioide wirken ebenfalls in der Peripherie analgetisch über die μ-Opioidrezeptoren. Diese Rezeptoren sind an den peripheren Nervenendigungen nozizeptiver Afferenzen lokalisiert. Ihre Stimulation hemmt die Sensibilisierung der Nozizeptoren. Somit spielen Opioide bereits eine wichtige Rolle bei der sog. „Schmerzaufnahme“.
Euphorie durch Opiate
Nach Aktivierung von μ-Opioidrezeptoren in der Area tegmentalis ventralis des Mittelhirns kommt es zur Unterdrückung bestimmter GABA-Rezeptoren. Dadurch wird Dopamin im Nucleus accumbens ausgeschüttet. Der Neurotransmitter Dopamin wird wiederum für die Entstehung von Wohlbefinden, einem Glücksgefühl bzw. Euphorie verantwortlich gemacht. Als Folge wird die sog. Schmerzangst vermindert (Schmerzangst spielt gerade bei chronischen Schmerzpatienten eine wichtige und entscheidende Rolle). Gleichzeitig jedoch besteht aufgrund der euphorisierenden Wirkung von Opioiden eine erhöhte und nicht zu unterschätzende Suchtgefahr. Bei chronischen Schmerzpatienten entsteht zumeist keine Euphorie (mehr), was wiederum die Suchtgefahr minimiert.
Sedierung durch Opiate
Entscheidend im Rahmen einer Schmerztherapie ist ebenfalls die sedierende (= beruhigende) Wirkung der μ-Agonisten. Verantwortlich für die Sedierung ist die Unterdrückung von Neuronen im aufsteigenden Teil der Formatio reticularis. In diesem Zusammenhang sollten dem betroffenen Patienten aber auch die Auswirkungen auf andere Lebensbereiche wie z.B. eine eingeschränkte Teilnahme am Straßenverkehr aufgrund einer beeinträchtigten Fahrtüchtigkeit, bewusst sein. Gerade chronische Schmerzpatienten bzw. Patienten mit einer regelmäßigen Einnahme von Opioiden entwickeln jedoch oft eine Toleranz, so dass Patienten im Einzelfall wieder fahrtüchtig sein können.
Atemdepression durch Opiate
Die Gefahr von einer Atemdepression ist oftmals der häufigste Grund weshalb Opioide nicht oder in zu niedriger Dosis gegeben werden. Wichtig: der Tod nach Opioidvergiftung wird fast ausschließlich durch Atemdepression verursacht. Opioide setzen die Empfindlichkeit des medullären Atemzentrum gegenüber dem CO²-Partialdruck im Blut herab und unterdrücken auch medulläre Zentren, die an der Regulation des Atemrhythmus beteiligt sind. Die Atemhemmung tritt bei gesunden Menschen bereits bei einer Normaldosierung auf. Bei chronischen Schmerzpatienten ist die Möglichkeit einer Atemdepression gering, da der Schmerz die atemhemmende Wirkung von μ-Opioid-Agonisten antagonisiert.
Antitussive Wirkung durch Opiate
μ-Opioidrezeptor-Agonisten hemmen die Erregbarkeit des Hustenzentrums. Für die Behandlung des unproduktiven Hustens werden daher auch schwache Opioide mit geringer Suchtgefahr (Codein, Dihydrocodein) eingesetzt.
Emetische Wirkung durch Opiate
Übelkeit und Erbrechen sind typische (Neben-)Wirkungen von Opioiden. Die μ-Opioid-Agonisten können durch die Stimulation von Rezeptoren, welche sich in der Chemorezeptor-Triggerzone der Medulla oblongata befinden, Brechreiz und Erbrechen hervorrufen. Daher wird bei der Therapie mit Opioiden zu Beginng meist auch die Gabe von sog. Antiemetika (z.B. Metoclorpramid, Domperidon) verordnet. Mit der Zeit kann jedoch oft auf die Gabe antiemetischer Medikamente verzichtet werden, da sich auch hier eine Toleranz gegen den emetischen Effekt der Opioide entwickelt.
Muskelrigidität = Muskelsteifigkeit durch Opiate
Bei der Auslösung der Muskelsteifigkeit sind μ-Opioidrezeptoren in bestimmten Gehirnarealen (Striatum und im Locus coeruleus in der Formatio reticularis) von Bedeutung. Die Muskelrigidität ist besonders bei hochpotenten Opioiden (z.B. Alfentanil) ausgeprägt. Eine durch μ-Opioid-Agonisten ausgelöste Thoraxrigidiät kann sekundär die Atmung behindern (und damit die oben beschrieben Wirkung bzgl. Atemdepression verstärken). Durch die Gabe von α²-Adrenorezeptor-Agonisten kann die opioid-induzierte Muskelrigidität reduziert werden.
Konvulsion durch Opiate
μ-Opioid-Agonisten können bei einer sehr hohen Dosierung sog. Konvulsionen auslösen. Dieser Effekt wird durch die Blockade von GABA-Rezeptoren im Hippocampus vermittelt. Die Krämpfe treten jedoch erst bei Dosierungen auf, die viel höher liegen als die, die für eine Analgesie benötigt werden.
Hypothermie mittels Opiate
μ-Opioid-Agonisten beeinflussen das Temperaturregulationszentrum im Hypothalamus. Opioide bewirken eine Abnahme der Körpertemperatur.
Miosis = Pupillenverengung durch Opiate
Charakteristisch für die akute Opioidvergiftung sind extrem verengte (sog. stecknadelgroße) Pupillen μ-Opioid-Agonisten aktivieren Neurone im sog. Edinger-Westphal-Kern (Teil des dritten Hirnnervens), die eine Pupillenverengung auslösen. Im Gegensatz zu vielen der anderen Effekte von Opioiden ist ein Gewöhnungseffekt und damit das Ausbleiben der Pupillenverengung bei chronischer Opioideinnahme nicht zu erwarten.
Blutdrucksenkung durch Opiate
μ- Opioid-Agonisten hemmen den sog. Baroreflex (der Baroreflex ist ein homöostatischer Mechanismus, der den Blutdruck aufrechterhält), so dass es bei behandelten Patienten, die nach dem Liegen eine aufrechte Position einnehmen, zur orthostatischen Hypotonie (= Blutdruckabfall) kommen kann.
Bradykardie durch Opiate
Die Aktivierung von μ-Opioidrezeptoren führt zur Stimulierung von Neuronen im dorsalen Vaguskern. Dadurch kommt es zur Bradykardie (= verlangsamter Herzschlag, Puls).
Hormonfreisetzung durch Opiate
Opioide bewirken eine vermehrte Freistzung des Hormons Vasopressin (Bildung in der Hypophyse). Dadurch kommt es zu einer sog. Antidiurese, d.h. eine verminderte Urinbildung. Ferner hemmen μ-Opioid-Agonisten die Ausschüttung von Gonadotropin-releasing-Hormon (GnRH) im Hypothalamus. Dies kann zu Zyklusstörungen bei Frauen führen. μ- Opioidrezeptor-vermittelte periphere Wirkungen
Verminderung der Motilität des Magen-Darm-Trakts
μ- Opioid-Agonisten erhöhen den Tonus des Magen-Darm-Trakts. Dadurch kommt es zu einer verzögerten Magenentleerung und zur spastischen Obstipation im Darm, bei der auch eine Hemmung der propulsiven Peristaltik durch Blockade des Dehnreflexes beteiligt ist. μ –Opioid-Agonisten hemmen ebenfalls die Freisetzung von Elektrolyten und Wasser in das Darmlumen bei Diarrhöen. Vermittelt werden die Effekte hauptsächlich durch das periphere enterale Nervensystem. Darüber hinaus sind auch zentrale Wirkungen über den Vagusnerv bedeutsam. Ein Gewöhnungseffekt bzw. Toleranz gegen den Verstopfungseffekt durch die Einnahme von Opioiden ist gering. Daher ist eine Co-medikation mit Laxantien bei der chronischen Schmerztherapie mit Opioiden obligatorisch.
Hemmung des Gallenflusses durch Opiate
Durch die Einnahme von Opioiden kommt es zu einem Spasmus des Harnblasenschließmuskels und zu einer Hemmung des Miktionsreflexes. Als Folge sammelt sich beim Patienten mehr Urin in der Blase und dadurch kann es zur Gefahr einer Blasenruptur kommen.
Einfluss auf das Immunsystem
μ-Opioid-Agonisten haben ebenfalls einen hemmenden Effekt auf die humorale und zelluläre Immunantwort. Dies geschieht indem Opioide die Antikörperproduktion hemmen. Diese Effekte werden durch zentrale und periphere μ-Opioid-rezeptoren vermittelt. Histaminfreisetzung: Die Freisetzung von Histamin ist kein μ-Opioidrezeptor-vermittelter-Effekt. Er wird fast ausschließlich bei Morphin und Pethidinfestgestellt. Dieser Effekt ist für die Urticaria, das Schwitzen und den Juckreiz nach Morphininjektion verantwortlich.
In diesem Video bespricht Dr. T. Weigl den Pflanzenstoff Capsaicin und ob es eine Alternative zu Opioiden darstellt.
7. Typische Opioide und Medikamente
Im folgenden sind die herkömmlichen Opioide aufgelistet. Diese Liste beruht auf Fachbüchern und sind somit für den Laien ggfs. weniger bedeutsam.
Wichtig aber immer bei der Einnahme der Opioide: Man sollte niemals niedrig- und hochpotente Opioide miteinander kombinieren.
Auch ist zu betonen, dass die weit verbreitete Angst vor einer Atemdepression (siehe oben Nebenwirkungen) oder gar Atemstillständen bei der Anwendung von Opioidanalgetika unbegründet ist. Die Morphinabkömmlinge wirken nur dann (besonders) dämpfend auf das Atemzentrum, wenn sie trotz Schmerzfreiheit weiter verabreicht werden.
Abbildung: Eigene Darstellung Übersicht Opioide
Abbildung: Eigene Darstellung Übersicht von Medikamenten
8. Zusammenfassung: Kurz und bündig
Opiate bzw. Opioide sind wichtige Schmerzmittel. Im Rahmen der Behandlung von chronischen (Gelenk-)Schmerzen aber auch von neuropathischen Schmerzen sowie den typischen Tumorschmerzen und auch in der Palliativmedizin werden Opiate angewendet. Ein weiteres Anwendungsgebiet ist natürlich die Anästhesie (Narkose) sowie die Intensiv- und Notfallmedizin. Opiate wirken über die körpereigenen Schmerzrezeptoren, den sog. Opioidrezeptoren. Davon gibt es drei unterschiedliche. Opioide werden gemäß des WHO-Stufenschemas verabreicht: Leichte Opioide auf Stufe II und starke Opioide auf Stufe III. Neben den Wirkungen haben Opioide auch Nebenwirkungen. Typische Nebenwirkungen sind Übelkeit und Erbrechen, Verstopfung = Obstipation sowie Pupillenverengung aber auch die Gefahr einer Atemdepression. Die Entscheidung Opioide zu nehmen sollte daher immer auf einer sorgfältigen Prüfung von Ursachen und Schwere der Schmerzen sowie einer Diskussion mit dem Patienten über Nutzen und Risiken der Therapie basieren.
Ganz andere Medikamente sind die sog. Benzodiazepine. Diese haben auch ein gewaltiges Abhängigkeitspotential aber keine schmerzlindernde Wirkung. Wollen Sie mehr über Benzos erfahren dann schauen Sie sich gerne dieses Video einmal an.
9. Weiterführende Links und Quellen
Bomedus Schmerzglossar: bomedus.com/wissen/schmerzglossar/
Kretz und Teufel, Anästhesie und Intensivmedizin, 2006
Aktories et al, Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 11. Auflage, 2013
Lüllmann et al., Pharmakologie und Toxikologie, 18. Auflage, 2016
Bildquelle (Mohnpflanze): Schlafmohn Chelsea Physic Garden
Deutsches Ärzteblatt Nr. 47, C 1767